„Alles, was man hier sieht, stammt noch original aus dem Jahr 1954“, sagt Carsten Göbel, der zusammen mit seiner Frau Karin Göbel Eigentümer des Hauses Nonnenwall 15 ist. Er steht in einem kleinen Nebenraum im ersten Stock der „Villa Specht“. Die schlichten, aber sehr funktionalen Einbauschränke, der aufbereitete Stäbchenparkettboden, Fliesen, Spiegel, Waschbecken und Dusche im benachbarten Bad – jedes Detail lädt zu einer kleinen Zeitreise in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein.
Auf der anderen Seite des Flures liegt das frühere Hauptschlafzimmer der Industriellen-Villa, die sich seit der vergangenen Woche mit der Denkmalplakette des Landes NRW schmücken darf. Heute ist der Raum Carsten Göbels Büro bei „WGS. Die Architekten“. Das Kopfteil des früheren Ehebettes dient als Regal für Bildbände und Fachliteratur. Vom Schreibtisch aus fällt der Blick durch die großzügigen Original-Fenster auf den Balkon und den Garten des Hauses.
„Als es um die Restauration der alten Fenster ging, hat unser Fensterbauer dankend abgelehnt. Letztlich haben wir ein Bestattungsinstitut aus Lüdinghausen dafür gewinnen können, denn für so eine Arbeit braucht man exzellente Schreiner“, berichtet Carsten Göbel. Genau wie sein Geschäftspartner Dirk Söhner ist er Diplom-Ingenieur und Mitinhaber von WGS. Gemeinsam planten sie den Umbau der Villa, die nach den Plänen des Münsteraner Architekten Jobs Hans Muths von 1953 bis 1955 auf dem Keller des im Krieg zerstörten Vorgängerbaus errichtet wurde und seit 2018 unter Denkmalschutz steht. Göbel und Söhner hauchten dem Bauwerk neues Leben ein, nachdem es einige Jahre hinter dichtem Bewuchs kaum noch auszumachen war.
Heute ist das repräsentative Gebäude vom ebenfalls denkmalgeschützten Zaun am Nonnenwall aus in voller Pracht zu bestaunen. Während in der ersten Etage nun die Geschäftsräume des Architekturbüros zu finden sind, ist Dirk Söhner mit seiner Familie vor einigen Monaten ins Erdgeschoss der Villa eingezogen. „Ich kenne das Haus schon lange. Es war Liebe auf den dritten Blick“, berichtet er mit einem Lächeln. „Je länger ich mich mit der Geschichte und den Details des Hauses beschäftigt habe, desto mehr wuchs die Faszination. Auch meine Frau war von der Idee begeistert, hier zu leben.“
„Die Villa bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne“, weiß Kirsten Apke-Lobmeyer vom städtischen Fachbereich Bauaufsicht und Denkmalschutz. „Die roten Ziegel und dunklen Dachpfannen stehen für die traditionelle, ortstypische Architektur der Nachkriegszeit, ähnlich wie das Dülmener Rathaus. Allerdings wiesen die Asymmetrie und die aufgebrochene Rückseite der Villa damals bereits eindeutig in Richtung Zukunft.“
Als Anerkennung für den gelungenen Umbau und für die Verpflichtung zum Erhalt des Denkmals überreichte Kirsten Apke-Lobmeyer im Namen des Landes NRW die Denkmalplakette nebst Urkunde an Carsten Göbel, der sie auch stellvertretend für seine Frau Karin entgegennahm. „Denkmäler sind ein gebautes Zeugnis unserer Vergangenheit und Kultur. Wir können an ihnen unsere Geschichte ablesen. Darum ist ihr Erhalt so wichtig und nur durch engagierte Eigentümer möglich“, so die Denkmal-Expertin. „Den Bauherren ist es mit viel Fingerspitzengefühl und Liebe zum Detail gelungen, die Villa technisch in 21. Jahrhundert zu transformieren, ohne ihren Charakter wesentlich zu verändern.“
Die Zusammenarbeit mit der Stadt Dülmen sei während des gesamten Prozesses sehr angenehm gewesen, bedankte sich Carsten Göbel. „Der Denkmalschutz bringt besondere Herausforderungen mit sich und es ging immer darum, gemeinsam eine gute Lösung zu finden.“







